Montag, 24. September 2018

Event-Bericht - Trans Pride Cologne 2018: Under my Umbrella

Trans Pride Cologne Logo
Am Wochenende vom 22. bis 23. September 2018 hat der Trans Pride Cologne zum ersten mal stattgefunden. Ich wohne in Köln, ich bin trans – es gab für mich also wirklich keinen Grund, nicht hinzugehen! Trotzdem war ich erst zögerlich und hatte die längste Zeit eine bestenfalls neutrale Einstellung zum Event. Warum? Ich weiß auch nicht. Ich habe mich nie groß mit der queeren Community in Deutschland identifiziert. Dem CSD konnte ich nie etwas abgewinnen, der war nicht für mich. Aber dieses Wochenende, das war für mich.

Nervös war ich trotzdem. Glücklicherweise musste ich nicht allein gehen! Dank Kitten hab ich mir das Programm überhaupt erst näher angesehen. Samstag gab es eine ganze Reihe Workshops und einer davon hat mein absolut enthusiastisches Interesse geweckt: ein Playfight Workshop!

Aus der Beschreibung des Workshops auf Facebook:
Playfight: Ein Workshop zum spielerischen Kämpfen
Playfight öffnet den Raum für wildes Balgen und Urgeschrei, für fröhliches Herumtollen und lustvolles Kräftemessen.
In dieser körperlichen Begegnung, die kämpferisch und/oder spielerisch verlaufen kann, kommen wir in Kontakt mit uns selbst und mit anderen; mit Stärken und Schwächen, tiefen Empfindungen, unerfüllten Bedürfnissen und lustvollen Herausforderungen.

Der Workshop bestand aus zwei Teilen:

In der ersten Hälfte haben wir einander und uns selbst kennengelernt. Es gab eine Reihe von Bewegungsübungen, bei denen wir uns zum Beispiel als Gruppe im Raum bewegt haben und dabei immer mehr Körperkontakt zugelassen haben, bis wir ein einziger großer Menschenblob waren. Außerdem gab es einige Partnerübungen: das Halten Blickkontakt, das Bewegen miteinander, wenn sich nur Fingerspitzen berühren, eine mal sanfte und mal feste Umarmung. Die Partner wurden dabei oft gewechselt, so dass man zum einen viele andere Teilnehmer kennenlernen konnte und zum anderen vergleichen konnte, wie unterschiedlich die gleiche Übung mit einer anderen Person sein kann. Zuletzt gab es dann eine Übung, bei der ein Teil von uns still sitzen, stehen oder liegen sollte, während die anderen versuchten, uns von dieser in eine andere Position zu bringen. Das konnte durch Überzeugung geschehen, durch sanften Druck oder härteres Eingreifen. Wie kooperativ die Stillhaltenden dabei waren, durfte jeder für sich entscheiden.
Ich war anfangs sehr kooperativ, dann zunehmend weniger, aber ich glaube, Widerstand war insgesamt lustiger! Tatsächlich hatten aber alle sehr verschiedene Gefühle dabei: einige berichteten, dass sie dann wirklich unbedingt in ihrer Position verharren wollten! Ich dagegen fand es zum Beispiel ganz spannend und irgendwie angenehm, jemand anderen so was mit sich machen zu lassen.

In der zweiten Hälfte ging es dann an das tatsächliche Kämpfen! Dazu waren im Raum vier mal vier Judomatten ausgelegt worden, mit weichen Sitzkissen drum herum. Auf diesen saßen wir im Kreis und immer zwei sollten in der Mitte kämpfen. Vorher gab es aber noch eine Vorstellungsrunde mit Namen und Pronomen, wo außerdem jeder erzählt hat, was er_sie sich so wünscht oder vom Kampf erwartet. Die Paarungen haben so funktioniert, dass eine Person in die Mitte ging und sich gegenüber dem Menschen, mit dem er_sie kämpfen wollte, hingekniet hat. Dann konnte die herausgeforderte Person ablehnen oder zustimmen.
Gruppen unbekannter Menschen machen mich insgeheim doch noch ziemlich nervös, und ich hab mich erst nicht getraut, jemanden herauszufordern. Dabei gab es durchaus Leute, gegen die ich gerne kämpfen wollte! Aber es war auch toll, den anderen dabei zuzusehen. Die Kämpfe waren sehr verschieden, aber alle so voll positiver Energie! Das hat mir sehr gut gefallen.
In der Pause haben Kitten und ich dann nochmal über unsere Anxieties gesprochen und danach hab ich mich dann doch getraut, es herauszufordern! Es hat mir sehr geholfen, dass wir uns kannten und wir hatten einen sehr schönen Kampf, den ich als ziemlich verspielt wahrgenommen habe. Wir haben viel gelacht, und insgesamt hat mir das verdammt gut getan! Danach war ich dann mutig genug, noch einen anderen Menschen herauszufordern, was dann ein etwas wilderer aber genauso toller Kampf wurde! Ich glaube, der hat uns beiden eine Menge gegeben. Wir hätten am liebsten noch weiter gemacht, aber der Workshop hatte schon so ne gute Halbe Stunde überzogen.

Pride Buttons gab es u.a. mit Pronomen!
Ich bin im Anschluss noch mit Kitten ins rubicon, wo die Aktion Standesamt 2018 einen Stand hatte und hab da mit einem Haufen netter Menschen gechillt. Das schöne an diesem Wochenende war, durchgehend von Menschen umgeben zu sein, die einen auf einer Ebene verstehen, wie man es sonst im Alltag bei den meisten seiner Mitmenschen nicht voraussetzen kann. Menschen, denen man sich mit Pronomen vorstellen kann. Menschen, deren Pronomen vielleicht weder „er“ noch „sie“ sind und die dafür vollstes Verständnis und Akzeptanz bekommen. Das hat sich gut angefühlt. Wie generell in queeren Gruppen, aber nochmal stärker!

Damit ging es dann am nächsten Tag auch direkt weiter. Es stand noch die Demo an, und obwohl es mich zu den regulären Pride Parades so gar nichts zieht, war ich hier sehr motiviert mitzulaufen. Ich wollte ein Teil davon sein, uns sichtbar zu machen. Ich wollte mit Menschen zusammen sein, die dieses „trans sein“ mit mir gemein haben.
Chants für die Demo
Und das habe ich auch bekommen. Gleich zu Anfang bin ich wunderbaren Menschen vom Quidditch in die Arme gelaufen, habe auch Leute vom Workshop am Samstag gesehen, und fühlte mich insgesamt ganz gut aufgehoben. Ich meine, ich hab sehr wenig Übung darin, mit Leuten allein darüber zu bonden, auf eine ähnliche Art queer zu sein. Ich war noch nie in all den Einrichtungen für queere Menschen, von denen Köln einige hat. Ich gehe nicht in entsprechende Clubs oder auf Pride-Veranstaltungen.
Aber ich war trotzdem froh, einfach dabei zu sein.

Auch dabei war der große Regenbogen-Regenschirm meines leider abwesenden Cuddle Buddys, den ich dafür jederzeit gern mit anderen geteilt habe.

„It's an umbrella term – der ist für alle da!“

So spazierten wir unter musikalischer Begleitung und lauter Parolen durch die Kölner Innenstadt, vom Altermarkt bis zum Rudolfplatz. Es war irgendwie ein cooles Gefühl, dass die Polizeit an einigen Stellen extra für uns die Straße abgesperrt hat. Nur für uns! Für uns trans Menschen, die feiern wollten, dass es uns gibt und die sich zeigen wollten, wie wir sind!

Auf dem Rudolfplatz wurde halt gemacht, um ein paar Ansprachen zu halten. Über Prides ansich, über diesen speziellen, aber das, was wir wollen und wer wir sein wollen.

Der Weg, den wir gelaufen sind - im strömenden Regen!

Danach stand prinzipiell ein Picknick auf dem Programm, weil Petrus es mit dem Wasser von oben aber doch allzu gut mit uns gemeint hatte, wurde selbiges nach drinnen verlegt, in einen Kindergarten nahe dem Bahnhof West. Dort bezogen wir Quartier, wurden gefüttert und mit coolem Merch versorgt und mit einem sehr coolen Bühnenprogramm, bestehend aus Musik und Textvorträgen unterhalten. Ein Teil davon hat mich wirklich mitgerissen und berührt, oft überraschend. Die Texte würde ich gern nochmal hören oder lesen.

Merch zum Event: Sticker, ein T-Shirt und Buttons


Es war friedlich. Klein. Ein kleiner Kreis Menschen, der – denke ich – noch wachsen will. Eine kleine Veranstaltung, die nächstes Jahr noch mehr Support möchte, auch finanziellen, um größer zu werden, und etwas lauter. Ich glaube, das würde der ganzen Sache gut tun. Auch wenn ich die Atmosphäre sehr mochte. Da saßen wir, alle irgendwie nass und etwas kalt, auf Picknickdecken oder einfach auf dem Boden, glücklich, aufgewühlt, hibbelig, sicher, gehört und verstanden.

Event-Bändchen
Bis nächstes Jahr!



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