Montag, 8. Mai 2017

Was heißt eigentlich "aroace"?

Aus meiner Selbstbeschreibung:

Sean beschreibt sich selbst als "aroace", das setzt sich zusammen aus "aro" (aromantic) und "ace" (asexual). Das bedeutet, dass er ein sehr entspanntes und glückliches Leben führt, in dem er sich weder verliebt noch sexuell aktiv werden will. 

 Ich vergesse gerne, dass Label wie "aromantisch" und "asexuell" gar nicht mal so verbreitet sind und dass es selbst in meinem doch sehr aufgeklärten Freundeskreis viele liebe Menschen gibt, die mit diesen Begriffen gar nicht mal so richtig was anfangen können (ein Facebook-Post vor einiger Zeit hat mich darauf aufmerksam gemacht). Und tatsächlich ist die menschliche Sexualität und alles drum rum viel facettenreicher, als den meisten klar ist.

Aromantic
Das wörtlich ins Deutsche übersetzte "aromantisch" macht mich nicht so wirklich glücklich, aber was will man machen, irgendwie muss es ja gehn. Die meisten Menschen, die ich kenne, finden es vollkommen normal, sich in andere zu verlieben. Ich dachte früher auch, dass das ganz normal sei und dass es jedem früher oder später mal passiert. So ziemlich jeder Film, jedes Buch, jede fiktionale Geschichte erzählt uns, dass eine romantische Beziehung das Höchste und Beste sei, das Ziel, auf das man hin arbeitet. Und auch ich bekam in jungen Jahren oft zu hören: "Du wirst den/die Richtige/n schon noch finden."
Derweil wuchs in mir zunehmend das Gefühl, dass irgendwas falsch läuft, dass ich anders bin, denn das Gefühl kam nicht. Angebote von durchaus netten Menschen waren zwar da, aber bei mir hat es einfach nicht klick gemacht. Ich habe mir darüber nie wirklich den Kopf zerbrochen (und bin meiner Familie auch dankbar, dass da nie groß Druck aufgebaut wurde), aber irgendwie fühlt man sich doch etwas seltsam.
Aromantische Menschen verlieben sich nicht. Sie können intensive und starke Beziehungen zu Familie und Freunden aufbauen, aber romantische Gefühle entwickeln sie in der Regel nicht. So habe zumindest ich das erlebt und ich kann nur sagen, dass ich damit sehr glücklich bin. Habe ich Angst, irgendwann alleine dazustehen, weil alle anderen sich dann doch einen romantischen Partner fürs Lebensende suchen? Nein. Ich bin nicht allein, denn ich habe Freunde. Ich bin nicht unvollständig oder einsam, nur weil ich keine feste, romantische Beziehung habe.
Es wäre mir persönlich wichtig, wenn andere ein aromantisches Beziehungsverhalten nicht als etwas Halbes oder als einen Mangel ansehen würden.

Asexual
Im Gegensatz zum Begriff oben funktioniert "asexuell" auf deutsch ganz ausgezeichnet! Asexualität ist ein Begriff, der ein weites Spektrum an sexuellen Identitäten abdeckt, die sich alle durch einen vergleichsweise niedrig ausgeprägten Sexualtrieb auszeichnen. Es geht dabei ausdrücklich nicht um Menschen, die sich bewusst dazu entscheiden, keinen Sex zu haben, oder um Menschen, die unter Traumata leiden. Asexualität ist auch keine mentale Störung (auch wenn sie lange so eingeordnet wurde und auch immer noch so diagnostiziert werden kann).
Für mich bedeutet Asexualität, dass ich absolut keinen Sex haben will. Der Gedanke an mich in entsprechenden Situationen ist mir äußerst unangenehm und selbst Küssen empfinde ich als eher eklig als irgendwas anderes. Aber das ist nicht die einzige Ausprägung von Asexualität.
Hinter Labels wie "gray asexual" oder "demisexual" verstecken sich Menschen, die einfach nur sehr wenig Sex wollen, oder solche Neigungen nur entwickeln, wenn sie eine enge emotionale Bindung zu jemandem aufgebaut haben. Manche asexuelle Menschen mögen auch die Vorstellung von Sex, wollen aber selbst nicht daran teilhaben. Wieder andere finden Gefallen an fiktionalen Charakteren in sexuellen Szenarien, die ganz von ihnen selbst entfernt stattfinden (autochorissexualism). Manche Asexuelle masturbieren, andere nicht. Manche entscheiden sich auch für ihren Partner dazu, Sex zu haben.
Dass Asexualität im Allgemeinen wenig präsent ist, bringt durchaus Probleme mit sich. Ich zum Beispiel hatte lange Zeit keine Ahnung, dass es so etwas gibt und hatte die totale Erleuchtung, als ich zufällig über eine Dokumentation zu dem Thema gestolpert bin. Aber selbst die hat nur die ungefähren Basics abgedeckt und ich hatte lange Zeit Zweifel, ob das Label wirklich auf mich zutrifft, wo ich doch so begeistert Fanfictions mit sexuellen Inhalten konsumiere. Ich habe Jahre gebraucht, um mir darüber klarzuwerden, wer und was ich bin. Ein paar Fehler hätte ich mir definitiv sparen können, wenn mir das alles eher bewusst gewesen wäre. Und ihr wollt gar nicht wissen, wie lang ich dachte, dass der Sexualtrieb in den Medien komplett übertrieben dargestellt wird, und dass eigentlich niemand wirklich so was empfindet.
Was mich immer wieder fasziniert und traurig macht, ist wie gering die Akzeptanz für Asexualität selbst bei queeren Menschen ist. Asexualität ist real, es gibt uns wirklich, und es ist alles in Ordnung mit uns, wir leiden nicht an einer Krankheit oder Störung. Und nicht alle asexuellen Menschen sind auch aromantisch, viele von uns haben glückliche und erfüllte, romantische Beziehungen. Oder eben aromantische Beziehungen.

Oh, und übrigens: Aces sind queer. Ich weiß, die Abkürzung LGBTQIA+ is ne lange Geschichte, aber seht ihr das A da? Das sind wir.

Wenn ihr dazu ne Frage habt, könnt ihr gern n Kommentar dalassen. Mehr informierte Menschen sind mehr gut! XD